So nimm denn meine Hände

"Der liegt bestimmt jetzt unterm großen Wagen und schraubt an ihm rum", sagte ein Trauernder über seinen Vater einen Tag nach seinem Tod. Mit knapp über 50 verstarb dieser urplötzlich, die Familie fiel in ein großes Loch, und nach der Trauerfeier sackte der Schock scheinbar in Zeitlupentempo. Seine Witwe, seine Tochter, seine Söhne standen mit ihrer Trauer allein da. Fast wage ich es ein Glück zu nennen, dass diese Familie sehr gläubig ist. Sonst wäre sie wohl endgültig bodenlos gewesen, die Trauer.

Mit der Trauerfeier ist alles vorbei. Die Anteilnahme am Leid derer, die man "Hinterbliebene" nennt, sinkt fast sofort. Nach einem halben Jahr darf der eine oder andere sich Sprüche anhören wie "Nu is aber mal langsam gut, das Leben geht weiter". Aber ein Leben, dass man 30, 40 oder 50 Jahre miteinander teilte, kann man nicht "mal eben" abschließen. Nur wo geht man dann hin?

Nicht jeder ist der Typ für eine Trauergruppe. Nicht jeder hat das Glück liebender Freunde, die einem auch zum 100. Mal zuhören, wenn man immer die gleichen Geschichten erzählt oder spontan wieder in ein Loch sinkt - obwohl man ja schon vor 2 Jahren den geliebten Menschen zu Grabe getragen hat. Verlassen werden ist gar nicht so anders - nur hier zieht Gott höchstselbst die Reißleine, nicht der Partner, der sich eine Geliebte gesucht hat oder einfach keine Lust mehr auf Zweisamkeit mit einem hat.

Und dann ist die Frage, was derjenige zurück lässt. Haben wir alles gesagt, was zu sagen war? Wie war die letzte Begegnung - haben wir miteinander gelacht? Habe ich Vergebung gefunden oder konnte ich die selbst geben? Habe ich meinen geliebten Menschen in das Sterben begleitet und bin einfach auch heimlich erleichtert, weil der Schmerz, die Sorge und die schlaflosen Nächte nun ein Ende finden? War es eine Krankheit? Ein Unfall? Ein Gewaltverbrechen? Dummheit? Oder einfach eben so - wie bei jenem Vater, von dem ich eingangs erzählte, der von einem Moment auf den anderen einfach tot war?

Ich begleite seit einiger Zeit Trauerfeiern an der Orgel oder dem Klavier, und ich höre immer wieder spannende Lebensgeschichten, und mir fällt auf, wie wenig Trost es im Georgele vor dem Beginn der Trauerfeier gibt. Die meisten wissen nicht, welche Lieder sie nehmen wollen oder legen lieber eine CD ein. Es geht aber auch anders: Vor kurzem habe ich für Angehörige die Lieblingsmusik der Verstorbenen gespielt - aber hier nicht auf der Orgel, sondern auf dem Klavier und auf meine Art. Der Satz danach, man habe "Rolling home" noch nie so schön gehört, ging runter wie Öl. Vor allem aber hat das getröstet.

Und genau das muß Musik erreichen, ob man um eine Zeit, einen Menschen oder sich selbst trauert: Sie muss neue Zuversicht schaffen, Schmerzen weg pusten wie das früher Mami gemacht hat, wenn man auf die Nase fiel, sie muss Hoffnung geben und sie soll in jedem Ton, jedem Klang und jeder Harmonie versprechen: Auch wenn die Bilder verblassen, die Klänge verklingen, die Wut wächst und geht und man jetzt in einem dunklen Loch sitzt: Die Liebe ist, was zum Schluss übrig bleibt. Und Gott ist Liebe.

Und genau das packe ich in mein Konzert am 22. November 2014. Um 19.30 Uhr gehts los. Vorverkaufstellen sind unsere Lieblings-Frohmacher-Sponsoren "Brownies & Cookies" (Pressburger Str.) und "Blumendiele" (Spadener Str.). Der Erlös soll Glad(E)makers und Petruskirche stärken.

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